Die Bobbies trauern um eine grosse Persönlichkeit. Er war der grosse Promotor vom Kinderzentrum Nadeshda und ein Mann des Ausgleiches und ein Brückenbauer über Grenzen.
Zur Erinnerung an Sascha Ruchlja – Brückenbauer zwischen der Republik Belarus und Deutschland
geb. am 9. Oktober 1950, gest. am 29. September 2024
Am Abend des 31. Mai 1989 bin ich Sascha Ruchlja zum ersten Mal begegnet – es war der Beginn einer 35jährigen Freundschaft und einer glücklichen und produktiven Zusammenarbeit. Sascha war Mitglied im Vorstand des Belarussischen Friedenskomitees und, was an diesem Abend noch viel wichtiger war, Dolmetscher, der in fließendem Deutsch das Gespräch übersetzte, das der Vorbereitung der „Politischen Pilgerfahrt“ diente, die im gleichen Jahr anlässlich des 50. Jahrestages des Beginns des 2. Weltkrieges in Verantwortung der Männerarbeit der EKD und des Friedenskomitees durchgeführt wurde. An jenem Abend begann Saschas nebenberufliche Haupttätigkeit: Er wurde zum Brückenbauer zwischen der Republik Belarus und Deutschland und hat unzählige Menschen aus beiden Ländern in Kontakt gebracht und dazu beigetragen, dass viele persönliche Freundschaften zwischen Menschen aus beiden Ländern und Kooperationen mit deutschen Vereinen entstanden.
Den Grundstein für diese jahrzehntelange Vermittlertätigkeit hatte Sascha durch sein Chemiestudium in Jena gelegt; dort hat er auch seine Doktorarbeit abgeschlossen und wurde danach wissenschaftlicher Mitarbeiter im am Lehrstuhl für Strahlenchemie von Professor Ewgenij Petrjaew an der belarussischen staatlichen Universität in Minsk. In dieser Funktion hat Sascha in den Jahren 1987/1988 auch daran mitgewirkt, Bodenproben im Gebiet Gomel zu entnehmen, um nach der Tschernobylkatastrophe die Karten der radioaktiven Belastung in Belarus zu erstellen. In den Jahren 1990/1991 war Sascha und das Büro von Professor Petrajew die Drehscheibe für die Organisation und Verteilung zahlreicher Hilfstransporte, die durch Spendenaufrufe im Hessischen Rundfunk unterstützt wurden und Lebensmittel, Medikamente und medizinische Geräte, vor allem aber auch Messgeräte für die Dokumentation der Strahlenbelastung in den radioaktiv belasteten Gebieten verteilten. Aus dem Erfahrungskontext der Organisation von diesen Hilfslieferungen und der Wahrnehmung der zahlreichen Erholungsaufenthalte von Kindern aus den belasteten Gebieten in Deutschland entwickelte Sascha im Frühsommer 1991 die großartige Idee, ein Kinderzentrum für die von der Tschernobylkatastrophe betroffenen Kinder in der Republik Belarus zu gründen. Mit dieser Idee wollte er darauf hinwirken, dass aus der Welle der enormen Hilfsbereitschaft deutscher Familien, Organisationen und Vereine eine Form der dauerhaften verbindlichen Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen aus beiden Ländern wird. Unser im Dezember 1990 gegründete Verein Leben nach Tschernobyl hat sich diese Idee zu eigen gemacht und wurde zusammen mit der Männerarbeit der EKD, der damaligen Stiftung Leben nach Tschernobyl (Minsk) (später Lebendige Partnerschaft) und dem damaligen Ministerium für die Probleme der Folgen der Tschernobylkatastrophe, vertreten durch seinen Minister Ivan Kenik, zu einem der deutschen Träger des im Juli 1992 formell gegründeten Belarussisch-Deutschen Kinderzentrums Nadeshda. In den ersten drei Jahren war Sascha dann der belarussische Vorsitzende der Teilhaberversammlung des Unternehmens Nadeshda-XXI. Jahrhundert.
Anfang der 1990er Jahre hat Sascha die wissenschaftliche Arbeit ganz aufgegeben, um sich auch beruflich für die Tschernobyl-Hilfe und die belarussisch-deutschen Beziehungen einzusetzen. Nach der Unabhängigkeit der Republik Belarus war er zunächst im Staatskomitee zur Überwindung der Folgen der Tschernobylkatastrophe und dann im Außenministerium der Republik Belarus tätig. Am 18. April 1994 wurde Sascha Stellvertretender Außenminister und vom 10. Oktober 1994 bis 30. August 1996 Gesandter seines Landes in Deutschland. In dieser Funktion hat er zahlreiche Kontakte zu Personen und Organisationen in Deutschland vermittelt, die sehr nachhaltig zur Entwicklung des am 24. September 1994 eröffneten Kinderzentrums Nadeshda beigetragen haben.
In den folgenden Jahren hat Sascha aus unterschiedlichen Gründen seine Arbeitsstelle mehrfach gewechselt, während das Engagement für das Projekt „Nadeshda“ die Konstante in seinem Leben blieb. Bis zu seinem Tod war er ehrenamtlich als stellvertretender Vorsitzende des Vereins Lebendige Partnerschaft tätig, erst im März hatte er gesundheitsbedingt die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden der Teilhaberversammlung des Kinderzentrums „Nadeshda“ wahrgenommen. In den letzten Jahren war sein Leben von mehreren Krankheiten schwer belastet – und trotzdem oder gerade deshalb galt auch in diesen Jahren seine besondere Sorge der Entwicklung Nadeshdas. Die letzten Monate waren gekennzeichnet von wechselnden Aufenthalten in Krankenhäusern und leider erfolglosen Behandlungsversuchen. Gestern, am 29. September ist Sascha an den Folgen eines weiteren Schlaganfalls verstorben.
Die Freunde Nadeshdas in Deutschland trauern um ihren Freund Sascha Ruchlja; aber viel größer als die Trauer ist unser Dank für alles, was er für die Freundschaft, Partnerschaft und für die Entwicklung des Kinderzentrums Nadeshda getan hat. Sascha war ein Brückenbauer zwischen der Republik Belarus und Deutschland, dies war sein besonderes Metier und ein Segen für sein Land und für unsere Zusammenarbeit; er hat Segensspuren hinterlassen, die bleiben und weiterwirken werden.
Frankfurt, dem 30. September
Andreas Seiverth
Vorsitzender des Vereins Leben nach Tschernobyl
für den Verein Freunde Nadeshdas in Deutschland